Klaudia Reichenbacher

1964 – 2025

Klaudia war eine Wissende. Eine wissende Frau und Künstlerin, die aus der Überzeugung der Dreieinheit von Körper – Geist – und Seele schöpfte und schöpferisch wirkte, wobei sie den Begriff Körper durch Leib ersetzte. Der physische Leib, der die unsterbliche Seele für die Erdendauer beheimatet.

Klaudia hatte einen durchdringenden Geist und eine unendliche Seele, die sie oft im Alltag, aber immer in ihren Stücken und Inszenierungen auf der Bühne transparent aufscheinen ließ.

Sie hat immer die Ganzheitlichkeit der menschlichen Existenz als Frau und Künstlerin erforscht und sie wusste, dass jeder dieser Bereiche Leib – Geist -Seele unterschiedliche Wirkmechanismen und Aufgaben zu erfüllen hat. Sie hat die Welt als Möglichkeit betrachtet, tiefe geistige Erfahrung zu sammeln, damit die Seele sich an ihren Ursprung erinnern darf. Die Seele, die mit und vom Schöpfergeist ganz und gar durchdrungen ist. Klaudia hatte durch ihre große Liebesfähigkeit auf das Wissen der Schöpfung Zugriff.

Der Geist war für sie die Dynamik der Seele, der eine Harmonie in die Welt bringen sollte.

Klaudia hat Zeit ihres Lebens nach dieser Harmonie als Künstlerin und Frau gesucht und gestrebt und wurde dabei oft missverstanden. Besonders in der Kunstszene wurde ihr oft vorgeworfen, bei ihren Darbietungen müsse immer alles schön sein, dabei sei es doch der Dreck, der das menschliche Sein greifbar und interessant in der künstlerischen Auseinandersetzung mache.

Solche Ansätze wollte und konnte Klaudia niemals teilen.

Für Klaudia war immer alles mit allem in Verbindung und jeder Mensch, jedes Tier und jede Pflanze ein Informationsträger der kosmischen Verbundenheit. Sie strebte als Mensch nach Bewusstheit und diese Bewusstheit versuchte sie verdichtet im Bühnenraum zum Leben zu erwecken. Sie verstand die Bühne als Raum, in dem Wirklichkeit und Wahrheit miteinander verschmelzen können.

Das ist eine ganze Menge und deshalb war Klaudia so vieles, wie es auch auf der Parte steht, denn ein so gelebtes Bewusst – Sein beinhaltet ein reiches Entwicklungspotential, das in Freiheit Geist und Seele organisieren lässt.

Die Lebensrealität besteht aber leider aus vielen nichtharmonischen Prozessen. Lebensgefährliche Situationen und Krankheiten waren ständige Wegbeleiter in Klaudias Leben.

Ein Geisterfahrer, der ihr 19-jährig entgegenkam, verschuldete ihre massiven Rückenprobleme, unter denen sie dauernd zu leiden hatte. Im Krankenhaus von Bruck an der Mur eröffnete ein besonders feinfühliger Arzt der jungen Schwerverletzten, dass sie sich abfinden müsse, Zeit ihres Lebens ein Krüppel zu sein.

Daraufhin beschloss Klaudia Tänzerin zu werden und begründete somit die freie Tanztheaterszene in Graz.

Klaudia antwortete dem Schicksal oft künstlerisch. So schrieb sie nach ihrem ersten Schlaganfall viele Liedtexte, die in zwei Inszenierungen „Vogerl im Kopf“ und „Alfred – Vogerl im Kopf ll“ im ARTist‘s zu hören waren. Komponiert wurden diese Lieder von Daniel Fuchsberger und Reinhold Kogler.

Nach dem zweiten sehr schweren Schlaganfall war es für Klaudia nicht mehr möglich, künstlerisch zu antworten. Sie antwortete aber menschlich mit großer Weisheit.

War sie bisher immer ein Kontrollfreak, der sich gegen alles stemmte, was nicht ihren alltäglichen Wertevorstellungen entsprach, gab sie nun Verantwortung ab und erreichte damit, was sie bis dahin so ersehnte, aber nicht erreicht hatte: so komisch es auch angesichts des jahrelangen Leidens, das sie ans Bett fesselte, sie nicht mehr sprechen und auch nicht mehr wirklich schreiben konnte, sie fand zu Harmonie und Freiheit und ertrug ihr Siechtum beinahe fröhlich und mit großer Gelassenheit.

Klaudia hat uns am 27. Mai 2025 verlassen.

Liedtexte zu den Musiken aus den Programmen

Alfred – Lieder aus einer beschädigten Welt (2021)

Vogerl im Kopf – Lieder aus einer beschädigten Welt 2 (2022)

Musiken von Daniel Fuchsberger (#)(AKM) und Reinhold Kogler (*)(AKM)

Alle Liedtexte von Klaudia Reichenbacher (AKM)

Daniel Fuchsberger: Stimme, Kontragitarre, Marimba, Posaune, Percussion

Reinhold Kogler: Stimme, Gitarren, Mandoline, Mundharmonika, Flügelhorn

Martin Veszelovicz: Akkordeon

Aufnahmen und tontechnische Einrichtung: Reinhold Kogler

 

A saubere Welt (*)

A saubere Welt

hätt I gern, so gern

wo net Lug und Trug entlohnt wird mit Geld

wo net Vertuschen und Verdecken

auf der Tagesordnung steht

I hätt so gern

daß es wieder was zählt

was man mit Rücksicht

plant und tuat auf der Welt

daß man zu dem steht,

was man vertreten kann

für sich und auch für jedermann

daß man mit Rücksicht

plant und tuat auf der Welt

daß man zu dem steht,

was man vertreten kann

für sich und auch für jedermann

 

Bogen überzogen (*)

wir haben den Bogen überzogen

haben uns die Welt kaputt gemacht

sind aus dem Kuckucksnest geflogen

verändert hat sich alles über Nacht

wir wolln uns Sicherheit erkaufen

doch die gibt’s zu keinem Preis

wir können sie uns nicht erschleichen

es holt uns ein, wir rennen ja im Kreis

was immer wir tun, ist schwer zu beschreiben

noch immer wolln wir bleiben, so wie wir einmal war´n

und wolln immer noch mehr

und wolln immer noch mehr

doch was geben wir im Gegenzug dafür her, dafür her ?

 

Die Papageien (#)

Die Papageien, die plaudern gern nach

wenn auch mit Unverstand, aber plaudern tuans doch

hat der Papagei was ghört, was er sich merkt

plappert er’s nach und nach und nach

und nach und nach:

pa pa pa pa papa…

 

Finsternis unter aner Latern (#)

Unter aner Latern, da is mei Zimmer

und a Pappendeckel is mei Bett.

auf der Straßen, ja da finst mi immer

und meistens, ja meistens bin i fett.

I schau net bsonders super aus, eher wias Letzte,

a bisserl dreckig und a voller Grind,

mei Duft is a net grad der allerbeste.

Jo I bin halt a bisserl a anders Wiener Kind.

Die Seitn gibt’s a in derer feinen Stadt

die soviel aussaputzte Seiten hat,

in der sich trifft die ganze feine Welt,

vor allem die mit’m gwaschenen Geld

Da wird verschoben, verschachert und bahölt

es is net  mehr der Mensch der im Leben zöhlt.

Am liabsten warat ihnen, wanns uns nimmer  gibt.

Man is halt so in Schönheit und sich selba verliebt.

Der Weana Schmäh, der fehlt ma mittlerweil’n nimmer

weils Lachen dir da bald vergeht,

wenns finster wird und finster bleibt für immer,

weils niemand mehr gibt, der so noch zu dir steht.

I war net so, i bins erst worden.

Verloren hab i im Leben viel zu oft.

Bin hingfallen, gstrauchelt, mundtot worden,

hab viel zu oft aufs Falsche gsetzt und ghofft.

hab viel zu oft aufs Falsche gsetzt und ghofft.

 

Friedenstauberl (*)

Ein Tauberl so weiß und rein,

das kann doch nur ein Friedenstauberl sein,

grad der Ölzweig is a bisserl verschmutzt,

wird er doch oft und gern widersinnig benutzt.

geknickt ist er und schon etwas verschlissen

wird an ihm doch herzhaft herumgerissen

mit Lug und Trug, mit Ach und Weh

aber das Tauberl trägt ihn wie eh und je

unverdrossen im Schnabel vor sich her –

wiegt er auch schwer, wiegt er auch schwer…

 

Gegenstrategie (#)

Wenn sich alles verfinstert

lass es hell werden in dir

gib der Verzweiflung ka Chance

wenn sich alles verengt

mach weit auf dein Herz

streck die Hand aus nach mir.

Berühr mi, umarm mi

sei freundlich zu mir

laß die Angst einfach ziagn

sie ghört net zu dir

Fang an mit an Lächeln

net zaghaft, net verschämt

schau mir grad in die Augn

was du drin erkennst

wird sein, wofür a du brennst

brauchst net daran zweifeln

es wird ernst sein und echt

es is wia a Bruckn

die Gegensätze vereint

geh ma drüber aufeinander zu

Berühr mi, umarm mi

sei freundlich zu mir

laß die Angst einfach ziagn

sie ghört net zu dir

Fang an mit an Lächeln

net zaghaft, net verschämt

schau mir grad in die Augn

was du drin erkennst

wird sein, wofür a du brennst

 

A Grupfter Pfau (#)

a grupfter Pfau, jö schau

ohne sein Gefieder

erkennt man ihn nicht wieder

 

Heut ist a Tag an dem alles gelingt (*)

Heut ist a Tag an dem alles gelingt

hörst wie das Vogerl im Tannenwald singt

vergessen ist kurzzeitig jede Tortur

Humor kehrt zurück und die Freud no dazua

I will jetzt net mehr schwarz sehn, allein sein und stumm

drah mi jetzt einfach konsequent um

atme tief durch und lahn mi an aun an Bam

Kommst auf andere Gedanken,

frank und frei wie du bist

werden dir leider oft austrieben

wird dir oft alles vermiest

auch das Recht wird gern gebogen

manche Wahrheiten gleich mit

doch bricht irgendwann der Bogen

wenn man ihn so überzieht

 

Der Holzwurm (*)

Wanns kruspelt und krocht, vor allem in der Nacht

und klane Häuferl aus Mehl den Boden verzieren

muaßt schnell sein, schnell sein, willst net verlieren,

weil da is der Wurm drinn, der frißt und frißt.

A Löcherl – am Anfang is klan –

wird schnell zum Tunnel, wird a Tunnelbahn,

wird a ganzes Tunnelgeflecht,

wird tieaf und groß, wia nur was,

den Wurm wirst so schnell nimmer mehr los.

Er bohrt und er frißt solang nix hemmendes g’schicht

klane Häuferl aus Mehl, die bröseln und fall’n

kannst bald z’sammkehrn, z´sammkehrn, was’d aufbaut hast, was’d bist

weil der Wurm – wenn amol drinn –

weiterknabbert und frißt.

A Löcherl – am Anfang is klan –

wird schnell zum Tunnel, wird a Tunnelbahn,

wird a ganzes Tunnelgeflecht,

wird tieaf und groß, wia nur was, gnadenlos

den Wurm wirst so schnell nimmer mehr los.

wird tieaf und groß, wia nur was, gnadenlos,

net famos, wos tua i do bloß,

den Wurm wirst so schnell nimmer mehr los.

– Hallo

 

Im Wald mit Irene (*)

Im Wald mit Irene

inhalier die Terpene

leg dich mit ihr ins grüne Moos

es jubeln deine Zellen

die Abwehrkräfte schwellen

das Leben ist trotz allem doch famos

 

Heut mal I mir die Welt kunterbunt an (#)

Heut mal I mir die Welt kunterbunt an

dick Gelb und Grün übers Grau

über’s  Grau des i schon lang nimmer mehr sehn kann

ziag I dicke  Strich in Weiß  und Hellblau

aus die Strich wird langsam a Kreis,

wird a Kugel in der i verreis-

schweb über der Erd’n – schau

die wird sogar wieder blau

je weiter ma weg is – schau –

ganz friedlich und blau

 

Das Pendl (*)

Es pendelt das Pendl laut Pendlgesetz

wenns weiter so pendelt hearst dann gibt’s a Hetz

rechts – Mitte- links und dann wieder zurück

der Weg jedes Pendels ist – was für ein Glück !

Es kommt immer wieder in der Mitten an

da lebt sichs am besten

wenn a net allzulang

es fangt doch immer wieder

von vorne an.

rechts – Mitte- links und wieder zurück

der Weg jedes Pendels ist –  was für ein Glück !

 

Schattenstrich (#)

Hab die Zeit vertan

war viel zu langsam

hab ghudelt, bin grennt

hab viel übersegn

nia wars Tempo richtig

war viel zu uneinsichtig

die Zeit is vergangen

und nix is g’schehn

Drahrart gern die Uhr (drehte)

a bisserl z’ruck

a paar Augenblick

oder a ganzes Leben

der Blick zu verschwommen

nia am rechten Platz ankommen

was net, wohin es noch geht

Die Sonnenuhr da

macht an Strich

An Schattenstrich schwarz

an der Wand

Der Augenblick war wichtig

das Ergebnis trotzdem nichtig

nur a Schattenstrich

schmal an der Wand

der Blick zu verschwommen

nia am rechten Platz ankommen

was net, wohin es noch geht.

Drahrart gern die Uhr (drehte)

a bisserl z’ruck

a paar Augenblick

oder a ganzes Leben

 

Überschau über die Niederungen (*)

Aus der Vogelperspektive besehn

is des zwar olles net schen

oba ganz so schlimm

a wieder ned

es schrumpft alles

auf an Punkt

was uns sonst tief betrübt

mit dem nötigen Abstand

scheint eh

alles gesund

 

Ein Hoch auf die Umarmung (*)

Das Haar ist ergraut, die Freude verblasst,

ich sehn mich Liebe noch jeden Tag fast.

Die Einsamkeit zehrt.

Hinter Plexiglasplatten erlaubt man dir noch zu stehn,

du kannst mich nicht umarmen, doch immerhin können wir uns sehn

 

Ich sag dir Adieu getrennt durch die Wand,

kommen und gehen erfolgt jetzt einsam im Land !

Ein Hoch auf die Umarmung in schwerer Zeit,

Herzen sind dazu noch immer bereit.

 

Vogerl im Kopf (#)

A Vogerl im Kopf, des wär was

da gabats was zum tuan

Ka Kanari im Käfig

ka Spatz in der Hand

a Vogerl im Kopf, ja das wär was!

Für bunte Gedanken wär g’sorgt

da wärs Leben net so absurd

ka Vorschrift wär bindend

ka Regel einz’halten

a Vogerl im Kopf,  des wär was

A Zwitschern und a Singen

alles käme zum Klingen

a Freid und a Lust

allem andern zum Trutz

a Vogerl im Kopf, ja des wär was.

 

Von oben besehn (*)

Von oben besehn ist die Welt wieder schön

weit weg muaßt halt sein,

dann hörst kein Jammern und kein Schrei´n

aber wennst auf ihr stehst

durch’n Morast steigst und gehst

kann´s schon passieren

den Mut zu verlieren

im allgemeinen Müll – davon gibt’s einfach zuviel

im Wasser, im Boden, in der Luft und im Hirn

Umdenken tät not und wär das Gebot

denn alles Lebendige sitzt im selben Boot

Von oben besehn ist die Welt wieder schön

weit weg muaßt halt sein.

 

Wolkenfreiheit (#)

Ziagn die Wolken übern Himmel

wünsch i mi a glei dazua

tauch mit dir in das Gewimmel

find mei Ruah, ja find mei Ruah

Endlich sind ma nimmer Gfangne

sind befreit zu wahrem Leben

und es wird für alle glangen

und wir haben a was zum Geben

Lieg i auf der Wiesen selig

spür das Gras feucht unter mir

pfeif i gern auf´s Stadtgewimmel

bleib bei mir, ja ganz bei mir

Endlich sind ma nimmer Gfangne

sind befreit zu wahrem Leben

und es wird für alle glangen

und wir haben a was zum Geben