Ich ersehne die Alpen; So entstehen die Seen

von Händl Klaus

„Unten im Tal ersehnt eine Frau „die Alpen mit ihrer geräumigen Kälte“, während sie in der Hitze ihrer Dachkammer wie in einem Sarg liegt und verbrennt. Im fiebrigen Delirium werden für sie die Gerölllandschaften zur erträumten Rettung aus der Einsamkeit und vor der endgültigen Auslöschung.

Oben in den Bergen stolpert ein Wanderer über die Leichen von vier Menschen, die im Gletschereis erfroren sind. So sehr er sich anfangs freut, endlich Gesellschaft zu haben, so wenig gelingt es ihm, die Toten aus ihrer Starre zu erwecken.

„Ich ersehne die Alpen; So entstehen die Seen.“ sind zwei Monologe, die aufeinander verweisen, sich ineinander spiegeln, ironisch gebrochen und voller Doppelbödigkeiten.

Ein filigranes Sprachkunstwerk, in dem die Berge als identitätsstiftende Metapher, Wirklichkeitsort des Todes und Projektionsfläche eines unstillbaren Verlangens erhaben in die Höhe ragen und den Betrachter zugleich in ihren Schwindel erregenden Abgrund reißen.“ (Rowohlt Verlag)

Kann man mit dem Tod leichtfüssig umgehen?
Man kann, vor allem, wenn man Händl Klaus heißt und zu den renommiertesten Theater – Autoren Österreichs zählt.

Verschmitzt, burlesk und liebevoll nähert er sich an das Ersehnen und Ringen mit dem Tod, an das Entleiben und Hadern mit der Schwere des entseelten, leblos starren Körpers. Ein Kraftakt, sich seiner zu entledigen und doch heiter und selbstverständlich, denn ein jeder zahlt für die Geburt mit dem Leben:
Olivia verabschiedet sich in ihrer Dachkammer vom Leben, „der viel zu langen Trockenheit von Zimmer zu Zimmer und immer ins Leere“. Ihre Sehnsucht gilt der Kühle, der geräumigen Kälte der Alpen,  der Erstarrung zu Eis. Ein Erkenntnisgewinn über ihre Lebensrealität, stellt sich in diesem Sehnsuchtsbild im Übergang vom Leben zum Tod der Einsamen ein. „Ich werde in der Höhe sicher leichter sein“

Bruno stolpert als einsamer Wanderer über vier, vom schmelzendem Eis freigegebene, Leichen. Vier Freunde, meinte er, gefunden zu haben, was ihn selbst lebendig werden und dahinschmelzen läßt. Seine Sehnsucht nach menschlicher Wärme läßt ihn vorerst negieren, daß den wehrlos Erstarrten kein Leben mehr einzuhauchen ist. Die Toten bleiben so reglos jedoch nur Bürde und Last und schlußendlich versenkt er sie in einen See, den nicht nur Tränen bilden.
In der Interpretation von Theater Kaendace erhalten die Alpen und auch die Leichname  Stimmen. Sie klingen und werfen die Fragen der Lebenden als Echo zurück, ein Dialog  in übergreifenden Sphären.

Die Spafudla gestalten die musikalische Ebene mit einer liebevoll arrangierten Mischung aus Volksmusikelementen, barocker Musik und eigenen Kompositionen mit Einflüssen aus Jazz und neuer Musik.
Musikantisch schwungvoll interpretiert kontrastieren sie den Tod mit sprühender Lebendigkeit.

Fotos: Lotte Hubmann

Der von der bildenden Künstlerin Lotte Hubmann gestaltete Raum unterstreicht die Transzendenz des Geschehens, in  ihrer Sicht- und Schichtweise, „getragen von der Auseinandersetzung mit dem Menschsein, der Natur, den Licht- und Schattenseiten im Inneren wie im Außen, der Farbe, dem Körper, der Haut: der ersten, in der wir stecken, der zweiten, unserem Gewand und der dritten Haut, der Architektur, sowie des Transformationsprozesses – der Ganzheit“ (zit. Lotte Hubmann).

In Erweiterung zur Bühneninstallation sind Körperfragmentbilder von Lotte Hubmann ausgestellt.

„Ich ersehne die Alpen; So entstehen die Seen“ wurde in Graz im Rahmen des steirischen herbstes 2001 uraufgeführt.

Nach der erfolgreichen Produktion „Dunkel lockende Welt“ im Vorjahr ist dies die zweite Umsetzung eines Stücks von Händl Klaus durch Theater Kaendace.

Vorstellungen

Sonntag 29. Juli 2018, 20 Uhr
Theater im Gsöllhof, Weissenbach 26, bei Haus im Ennstal

Vergangene Termine

Premiere
26. September 2017, 20 Uhr, Kristallwerk Graz

Vorstellungen
27., 28., 29., 30. September 2017, 20 Uhr, Kristallwerk Graz

Details zum Stück

Ich ersehne die Alpen;
So entstehen die Seen

von Händl Klaus

Aufführungsrechte

Rowohlt Verlag Hamburg

mit

Alexander Mitterer (Bruno und Co-Regie)
Klaudia Reichenbacher (Olivia)

und den „Spafudla“:
Lucia Froihofer (Geige, Gesang),
Bernadette Froihofer (Geige, Mandoline, Gesang ),
Daniel Fuchsberger ( Kontragitarre, Marimba, Trommel, Gesang),
Gabriel Froihofer (Kontrabass, Marimba, Rigg, Def, Gesang)

Inszenierung

Klaudia Reichenbacher

Raumskulptur

Lotte Hubmann

Lichtdesign, Technik

Tom Bergner

Kritiken